Brigitte Schlichting, Gas-Wasser-Installateurin

Anmerkung der Redaktion: Vor einigen Jahren ist Brigitte Schlichting viel zu früh verstorben. Es war uns eine Ehre und stets große Freude, dass sie Teil unseres Netzwerks war. Folgendes Interview erschien 2019.

Ihren Beruf als Gas-Wasser-Installateurin hat Brigitte Schlichting vor 30 Jahren gelernt. Seit 2008 führt sie ihre eigene Firma, die gasetage.

Wichtig ist es ihr, ihre Arbeit gut zu machen und guten Service zu bieten. Außerdem ist sie als Dozentin tätig und dabei auch international unterwegs. Seit 2011 arbeitet sie freiberuflich für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Hier schult und unterstützt sie Frauen in Jordanien, damit sie in einem der trockensten Länder der Erde in der Lage sind, im eigenen Haushalt, bei Nachbarn oder beruflich Wasserverluste zu minimieren. Für Brigitte Schlichting ist diese Arbeit eine Herzensangelegenheit. Den Austausch mit anderen Handwerkerinnen und den Rückhalt, den das Netzwerk gibt, findet sie wichtig.

BS: Mein Name ist Brigitte Schlichting, in Berlin geboren und gelernte Gas-Wasser-Installateurin. Vor dreißig Jahren habe ich den Beruf gelernt und seit dreißig Jahren bin ich in dem Beruf.

Direkt nach der Ausbildung habe ich Solaranlagen installiert, Ende der Achtziger, zwei Jahre lang. Damals wurden Solaranlagen noch sehr belächelt. Da hieß es dann immer, „Ach, das bringt ja nichts. Ach, Solaranlagen, das ist doch überhaupt nicht Sanitär. Da kann man ja gar nicht mitreden. Das ist ja nur so Spielwiese.“ So war das damals. Für mich war es dann schon so, dass ich auch direkt in meinem gelernten Beruf arbeiten wollte. Deshalb habe ich dann nicht mehr Solaranlagen gebaut und gewartet, sondern bin zu einer Sanitärfirma gegangen. Das war damals ein Frauenkollektiv, UFE, Sanitär, Heizung. Mit fünf Frauen habe ich zusammen zwei Jahre Bäder und Heizungen gebaut.

I: Aber dann hast du etwas anderes gemacht?

BS: Im Kollektiv habe ich aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass ich auch noch andere Sachen machen will. Ich wollte eigenständig arbeiten und nicht immer alles mit anderen absprechen. Aber die Arbeit im Kollektiv war eine wertvolle Erfahrung. Ich habe da auch zum Beispiel Buchhaltung gelernt, was später für meine Selbständigkeit hilfreich war. Aber diese zwei Jahre im Kollektiv haben dann auch wirklich gereicht.

Ich habe mich woanders beworben, wollte mich spezialisieren und habe mir gedacht, dass Gasthermen-Reparatur, Geräte, Garantie, Kundendienst eine gute Sache sind, und wurde dann bei Vaillant genommen.

Ich war dann die erste Kundendiensttechnikerin von Vaillant Deutschland und vermutlich auch die Einzige. Ich weiß nicht, ob jemals eine nach mir kam.

Ungefähr vier Jahre war ich bei Vaillant im Garantie-Kundendienst. Ich bin zu den Kunden gefahren, wenn die Geräte in der Garantiezeit Probleme hatten oder wenn Fachhandwerker nicht mehr weiter wussten. Das war ganz anders als das Frauenkollektiv. Meine Kollegen waren alle Männer. Nur im Büro waren Frauen. Von meinem Chef habe ich damals sehr stark Unterstützung bekommen. Er ist für mich ein Best Practice-Beispiel, denn er hat voll hinter mir gestanden, mich unterstützt, und das nicht nur mit irgendwelchen Worten, sondern ich bekam eine hervorragende Einarbeitung. Wenn ich gesagt habe, ich brauche jetzt das und das Werkzeug oder die oder die Unterlagen, hat er mir die immer zukommen lassen. Er war sehr unterstützend und hat mich gefördert. In meinen Augen kommt es darauf an, dass man Frauen ernst nimmt, wenn sie in einem anderen Beruf als „üblich“ sind. Dass man sie nicht schont, wenn irgendetwas nicht hingehauen hat. Mein Chef hat dann auch klar gesagt, geht nicht. Er hat nicht, weil ich eine Frau bin, da Rücksicht genommen. Aber man muss Unterstützung an die Hand bekommen und nicht mit der Einstellung konfrontiert werden, „na, soll sie doch machen“ und sie einfach loslaufen lassen. Man soll wirklich gucken, was jemand braucht, welche Hilfsmittel und welche Unterstützung, um vorwärts zu gehen und das ganze Potential ausschöpfen zu können.

I: Sollte das bei Männern und Frauen nicht gleichermaßen passieren?

BS: Sollte. Aber ich denke, gerade damit Frauen auch gleichermaßen Anteil an der Gesellschaft haben können, ist es notwendig, dass man Frauen da noch mal besonders unterstützt. Und Frauen im Handwerk sind ja, bis auf einige Berufe, oft nicht so zahlreich vertreten.

Einer der Schlüssel, damit es mehr Frauen im Handwerk werden, ist, dass man so mit Frauen im Handwerk umgeht, wie das mein damaliger Chef, Rolf Perl, bei Vaillant gemacht hat. Das glaube ich und denke, dass man so viel bewegen kann. Bei Vaillant hat es mir gut gefallen. Auch die meisten meiner Kollegen waren sehr kooperativ.

Alle sind immer alleine losgezogen. Deshalb war es notwendig, dass man sich gegenseitig stark respektierte und bei Fragen auch als Ansprechpartner am Telefon zur Verfügung stand. Das fand ich super. Aber da waren auch schon einige Überstunden und Notdienste. Ich wollte dann weniger arbeiten. Das war in den Neunzigern. Damals war das nicht möglich im Winter, wenn es mehr kaputte Heizungen gibt, mehr zu arbeiten und im Sommer eben weniger. Das war für die Firma keine Option. Deshalb musste ich mich entscheiden. Ich wäre sonst gerne geblieben, weil mir die Arbeit gut gefallen hat. Aber ich wollte weniger arbeiten und das war in dem Rahmen nicht möglich. So etwas wie zum Beispiel Arbeitszeitkonten, Dreißig-Stunden-Stelle gab es nicht. Ich habe mich dann entschieden und aufgehört. Danach habe ich angefangen, quasi einen zweiten Weg beruflichen Weg aufzubauen, und bin Dozentin geworden.

I: Für welches Fach bist du Dozentin geworden?

BS: Für Versorgungstechnik. Ich habe bei einem Bildungsträger, der damals auch Kundendiensttechniker geschult hat, angefangen und dort den fachpraktischen Teil übernommen. Dann habe ich bei der Innung Sanitär, Heizung, Klima in Berlin und der Handwerkskammer angefangen, die Meister zu schulen. Nebenbei habe ich auch noch praktisch gearbeitet, mich dann aber entschieden, auch das als ein weiteres Standbein auszubauen und 2008 meine Firma „Die Gasetage“ gegründet.

Bis heute führe ich für die Innung und die Handwerkskammer Berlin Schulungen durch.

I: Bist du als Dozentin frei oder fest angestellt?

BS: Freie Dozentin.

I: Wo ist der Schwerpunkt deiner beruflichen Tätigkeit?

BS: Meine Firma „die gasetage.“, hat, wie man schon im Firmennamen hört, ein Schwerpunkt auf Gasgeräten, Wartung und Reparatur. Bei Bedarf wird auch ein Gerät ausgetauscht. Wenn jetzt jemand mal einen tropfenden Wasserhahn hat oder andere Sanitärarbeiten erledigt haben will, dann kann ich das auch mit anbieten und durchführen, wenn ich die Zeit habe.

I: Du führst deinen Betrieb mittlerweile seit elf Jahren. Aber wie ich weiß hast du noch ein weiteres Standbein. Du bist ja nicht immer in Berlin und nicht immer in deinem Betrieb ansprechbar, weil du manchmal einfach nicht da bist. Was machst du dann?

BS: Seit 2011 arbeite ich freiberuflich für die GIZ, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich arbeite in Jordanien, wo ich Frauen mein Wissen in der Sanitärtechnik weitergebe. Das heißt, ich schule die Frauen direkt praktisch, habe dort eine Gruppe von Frauen bei einem Bildungsträger, wo es so wie bei uns in der Werkstatt, fast wie in einer Berufsschule ist. Da lernen die Frauen tropfende Wasserhähne zu reparieren, Siphons auszutauschen, Rohre zu verlegen, Spülkasten abzudichten und andere Reparatur- und Installationsarbeiten.

I: Warum ist die Reparatur von tropfenden Wasserhähnen in Jordanien so wichtig?

BS: Jordanien ist eins der trockensten Länder der Erde. Und leider ist es auch so, dass die Wasserverluste über die Rohre und die Armaturen sehr hoch sind, obwohl so wenig Wasser da ist. In Jordanien ist Wasser ein extrem hohes Gut. Um Wasserverluste zu minimieren, werden Frauen geschult, damit sie in ihrem eigenen Haushalt, im Haushalt der Nachbarin, oder auch zum Gelderwerb Undichtigkeiten reparieren, Water saving Devices, Wassersparköpfe montieren und Installationsarbeiten durchführen können.

I: Du hast uns schon Bilder von jordanischen Frauen gezeigt, die mit einem Gesichtsschleier schrauben.

BS: Das ist kein Widerspruch und sehr unterschiedlich. Es gibt Frauen, die haben nur ein Kopftuch auf. Und es gibt andere Frauen, die sich verschleiern. Es gibt Frauen, die verschleiern sich, wenn Fotografen da sind und wenn Männer anwesend sind. Wenn sie unter sich sind, zum Beispiel wenn sie zu ihrer Nachbarin gehen und da im Haushalt sind, dann nehmen sie auch den Schleier ab und arbeiten nur mit dem Kopftuch.

I: Wie ich gehört habe, hast du eine jordanische Frau ausgebildet, die mittlerweile selber Frauen ausbildet?

BS: Ich habe mehr als 10 Frauen zu Assistant-Trainerinnen ausgebildet. Während meines regulären Trainings habe ich zusätzlich zu dem normalen Unterricht, versierten ehemaligen Teilnehmerinnen die Möglichkeit gegeben, kleine Teams in der praktischen Arbeit zu betreuen. Die Frauen habe ich gefördert und unterstützt. Zusammen mit der GIZ-Beraterin Ruby Assad bin ich am Wochenende die Extrameile gegangen und wir haben mit den Assistant-Trainerinnen Präsentationen eingeübt, Aufgaben und Unterrichtsablauf besprochen. Unser Engagement hat sich gelohnt. Heute geben die jordanischen und syrischen Sanitärfrauen selber Kurse, schulen andere Frauen und auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Wasserministerium!

I: Was ist dir besonders wichtig? Auf was bist du stolz? Ist es die Selbständigkeit? Sind es die Frauen, mit denen du in Jordanien arbeitest? Ist es deine Arbeit als Dozentin bei Innung und Handwerkskammer?

BS: In Jordanien die Frauen zu schulen und zu unterstützen ist schon eine Herzensangelegenheit von mir. Dort gibt es auch eine Kooperative, in der sich Frauen zusammengeschlossen haben. Von Anfang an habe ich die Kooperative unterstützt und bin auch als Ansprechpartnerin für sie greifbar. Ansonsten würde ich sagen, ich bin stolz, wenn ich gute Arbeit mache. Dabei ist es eigentlich egal, welcher Bereich das ist, denn ich finde es wichtig, dass man zu dem, was man macht, stehen kann. Wenn ich zum Beispiel ein Training, eine Schulung in der Innung gebe und Leute sagen, „ja, das hat was gebracht, vielen Dank, Frau Schlichting, ich habe was dazu gelernt, das wird mir sicherlich weiterhelfen“, dann denke ich, wunderbar! Dafür lohnt sich das.

Oder wenn ich zu einer Kundin oder Kunden gehe, bei denen vorher die Heizung nicht funktioniert hat, und sie sagen mir nach der Reparatur, „wir dachten schon wir brauchen ein neues Gerät, super, dass Sie das hingekriegt haben!“

Gute Arbeit machen, guten Service bieten, in Ruhe die Arbeit machen, mich nicht allzu sehr hetzen zu lassen, sondern konzentriert zu arbeiten, um ein gutes Ergebnis abzuliefern, worüber sich Leute freuen und ich auch selber sagen kann, das es gut gelaufen ist, das ist mir wichtig.

I: Du hast vor dreißig Jahren diesen Beruf gelernt. Wie war das, als Frau damals einen solchen Beruf zu lernen? 

BS: Zum einen, es gab ja schon Frauen vor mir. Und das ist ja dann immer hilfreich, in der U-Bahn auch mal eine Frau zu treffen, die im Blaumann dasitzt. Es gab auch die Frauenselbsthilfewerkstatt Autofeminista für Motorräder und Autos. Ich denke, diese Frauen, die ganz am Anfang da waren, waren die großen Wegbereiterinnen. Die haben es auch ermöglicht, dass andere Generationen nachkamen, die so wie ich dann im Handwerk lernen konnten. Bei mir damals gab es am Anfang in der Berufsschule drei Frauen in der Klasse. Nachher nicht mehr, da war ich alleine. Aber am Anfang waren es drei. Und das ist ja schon mal gut.

I: Aber du warst irgendwann alleine. Wie haben deine Mitschüler darauf reagiert?

BS: Am Anfang, im ersten Lehrjahr, in der ersten Klasse, als auch die anderen Frauen noch da waren, war es ganz gut. Ich habe ein Ausbildungsjahr übersprungen, weil ich es mir auch finanziell nicht mehr leisten konnte, nur vom Lehrlingsgehalt zu leben. Ich bin dann in eine andere Klasse gekommen, wo ich die einzige Frau war. Da war das schon so, dass manche Jungen damit nicht so gut klargekommen sind, dass da jetzt eine Frau ist, die sehr gut in dem Fach ist. Ich war eben die Konkurrentin und sie hatten Schwierigkeiten damit, dass ich auch fachlich besser war.

I: Du hast ein Jahr in der Ausbildung übersprungen?

BS: Ja. Ich hatte Abitur und ich kannte einen Mann, der dort gelernt hat, wo ich auch gelernt habe. Dem wurde am Anfang angeboten, dass das Abitur angerechnet werden kann. Dass er nicht dreieinhalb Jahre lernen muss, sondern nur drei. Dieses Angebot wurde mir als Frau nie gemacht. Es hieß, dreieinhalb Jahre müssen schon sein. Nur aufgrund meiner guten Leistungen und weil ich es dann selber beantragt habe, konnte ich ein Jahr überspringen. Zweieinhalb Jahre nur vom Ausbildungsgehalt zu leben war schwer genug für mich.

I: Das scheint aber auch der Beruf zu sein, den du mit Leidenschaft ergriffen hast?

BS: Ich mag das Handwerk. Ich schraube gerne, ich mag das, wenn man sieht, was man schafft, das finde ich toll! Das ist eine große Qualität im Handwerk. Und ich finde, es wird bei der Nachwuchsförderung nicht genügend herausgearbeitet, wie toll das ist, wenn man etwas schafft, was man sieht, was funktioniert und worüber man sich freuen kann. In dieser globalen Welt, wo viele Leute suchen, Zweifel haben, kann das Handwerk die wunderbare Funktion haben, Sichtbares zu schaffen, Halt zu geben. Handwerk kann etwas sein, worauf man stolz sein kann. Als junger Mensch suchte ich auch Orientierung. Mit 17 wusste ich nicht, was ich werden wollte. So geht es ja heute auch manch jungen Leuten. Da finde ich, dass das Handwerk eine ganz große Qualität hat, dass man was machen und darüber auch Halt und Orientierung finden kann.

I: Welche Kompetenzen muss man für deine Arbeit mitbringen?

BS: Wenn man über die Arbeit redet, dann muss ich erst mal überlegen, welche Arbeit. Und für mich ist es so, ich fasse alle meine drei Arbeiten oder alle vier zusammen: Firmeninhaberin, Handwerkerin, Dozentin und tätig in der Entwicklungszusammenarbeit. Eine Fähigkeit ist auf jeden Fall Zeitmanagement und mit den eigenen Stärken und Grenzen umgehen zu können, um das alles zusammen zu schaffen. Ich denke auch, es ist für mich notwendig, dass ich gut strukturiert bin. Wenn man immer wuselig ist, haut das nicht hin, denn es ist schwer genug zeitlich und inhaltlich alles abzustimmen. Ich weiß, dass ich sehr gut logisch denken kann und ich finde, das hilft mir in allen Sachen auch sehr gut. Im technischen Beruf ist es sehr, sehr hilfreich, gut mit Logik und mit Mathematik umgehen zu können. Auch beim Erklären, wenn ich unterrichte, braucht es eine Struktur, eine Klarheit, eine Logik, damit man weiß, wie man etwas aufbaut und damit es für andere nachvollziehbar ist. Das ist eine wichtige Kompetenz. Dann natürlich handwerkliches Geschick. Das ist unabdingbar. Und Freude an solchen Arbeiten, Freude am Schrauben.

Außerdem ist Freundlichkeit wichtig. In all den Bereichen, in denen ich arbeite, egal, ob ich jetzt als Servicetechnikerin zu einem Kunden oder zu einer Kundin gehe oder ob ich unterrichte. Es ist ganz wichtig, dass ich freundlich, dass ich entgegenkommend bin, mich auf Leute einstellen und Menschen mitnehmen kann.

Es geht nicht darum, dass man alles weiß und darstellt, was man alles weiß, sondern es geht darum, mit anderen zusammen oder für andere Leute zum Beispiel etwas zu bauen, zu reparieren oder Fragen zu erörtern und zu beantworten, warum zum Beispiel das Warmwasser nicht funktioniert. Man sollte nicht reinkommen und so tun, als ob man alles weiß. Sondern man soll fragen, seit wann das Warmwasser nicht mehr funktioniert, ob es öfter passiert oder nur hier oder da? Man muss das zusammen besprechen, um dann die richtige Lösung zu finden.

I: Das heißt, man muss gerne mit den Leuten umgehen und reden?

BS: Es ist sicher hilfreich, ja. Bei Schulungen gilt das auf jeden Fall. Als Handwerkerin kann man manchmal auch vielleicht eher zurückhaltend sein, denn es gibt ja auch Leute, die eher schüchtern sind und nicht so gerne reden.

I: Du beschreibst so einige Kompetenzen. Wie werden die in der Woche eingesetzt? Wie sieht eine typische Arbeitswoche bei dir aus?

BS: Ja, oder auch, wie verteilt sich das über verschiedene Zeiträume. Es ist oft so, dass ich zweimal im Jahr für die Entwicklungszusammenarbeit nach Jordanien fahre, zum Beispiel im Frühjahr oder Herbst für drei Wochen. Schulungen an der Innung gebe ich oft Freitag, Samstag. Erwachsenenbildung ist oft nebenberuflich für Teilnehmer, deshalb gibt es einige Wochenenden, wo ich Schulungen gebe. Ich bin selbständig mit meiner Firma, bin Einzelunternehmerin, habe keine Mitarbeiter. Das heißt, ich gehe selber zum Kunden und mache auch meine Buchhaltung. Meine Firmentätigkeit gestalte ich nach meinen Bedürfnissen. Es ist bei mir nicht das Klassische, von Montag bis Freitag ein Kunde nach dem nächsten, und das über das ganze Jahr. Bei mir ist so, dass ich manchmal weg bin, so wie heute, wo wir das Interview machen, oder ich selber zu einer Schulung, Fortbildung gehe, weil das notwendig ist, um up to date zu sein. Es kann sein, dass ich sage, dass ich einen Tag keine Wartung mache, weil andere Sachen anstehen. Diese Vielfalt ist relativ aufwändig, sie macht viel Arbeit, aber für mich ist sie abwechslungsreich und kommt mir deshalb sehr entgegen.

I: Wenn du dir deine jetzige berufliche Situation mit allen Aspekten vergegenwärtigst, bist du zufrieden?

BS: Ich bin zufrieden und sehr froh darum, dass ich Sachen mache, die meinem Rhythmus oder in meinen Schwerpunkten entsprechen. Wenn ich jetzt tagtäglich immer die gleiche Arbeit gemacht hätte, immer am gleichen Arbeitsplatz, dann wäre ich unzufrieden. Das ist mir sehr bewusst. Ich hätte mehr finanzielle Absicherung, mehr Gleichförmigkeit, die ja auch Sicherheit geben kann, was durchaus als Selbständige manchmal schön ist zu sehen, dass Leute eine Sicherheit haben. Aber ich weiß, ich wäre weniger glücklich, ich wäre unzufrieden. Und deshalb ist es bei mir ein aufwändigerer Lebensweg. Ich gebe viel rein, aber es ist etwas, was mich erfüllt und wovon ich weiß, es entspricht mir.

I: Kannst du dich noch erinnern, Brigitte, wie du zum Netzwerk der Berliner Handwerkerinnen gekommen bist?

BS: Ganz genau weiß ich das gar nicht. Was ich weiß, ist, dass Ulrike, die ja auch eine Sanitär-Heizungsfirma hat, gleichzeitig mit mir gegründet hat, und dass das Netzwerk bei ihrer Eröffnung auch da war. Daran erinnere ich mich. Ob ich nun vorher schon was mit dem Netzwerk zu tun hatte, ober ob direkt erst danach, weiß ich nicht. Aber es war ungefähr 2008.

I: Findest du, dass Netzwerke oder Frauennetzwerke Vorteile haben? Oder braucht es gar keine Frauennetzwerke?

BS: Jede kann sich ja selber überlegen, ob sie das will oder nicht. Aber ich denke, dass Netzwerke große Vorteile bieten können. Was ich an dem Netzwerk sehr schätze, ist der Austausch. Dass ich mitbekomme, wie andere Handwerkerinnen mit Fragen und Problemen umgehen, dass gemeinsam in Workshops Themen erörtert werden, die andere Unternehmerinnen auch interessieren, die mich voranbringen. Es für mich hilfreich, zu wissen, dass ich auch eine Rückendeckung in so einem Netzwerk bekommen kann. Es ist für mich wichtig zu wissen, dass ich nicht isoliert bin, dass ich sagen kann, dass bei uns im Netzwerk Frauen viele Berufe haben, dass im Netzwerk Gesellinnen und Unternehmerinnen vertreten sind. Das zeigt: Es ist sehr wohl möglich, dass Frauen in männerdominierten Berufen erfolgreich arbeiten. Ich bin ein Beispiel und es gibt viele andere, die das genauso verwirklichen. Es ist ein gutes Backup.

I: Was ist dir noch im Netzwerk wichtig?

BS: Ich glaube, dieser Rückhalt ist für mich persönlich wirklich etwas, was wichtig ist. Leider habe ich nicht so oft die Zeit, um an Treffen und Veranstaltungen teilzunehmen. Über das Jahr ist es de facto gar nicht so oft, dass ich an einem Workshop teilnehmen oder zum Netzwerktreffen kommen kann. Aber so ein Netzwerk hat eine ganz andere Sichtbarkeit und es gibt Ansprechpartnerinnen, die auch gesellschaftlich und politisch was bewegen können, was ich als Einzelne nicht leisten könnte. Das ist eine wichtige Funktion vom Netzwerk.

Einmal im Jahr gibt es eine große Veranstaltung, auch in Kooperation mit den Unternehmerfrauen im Handwerk und mit der Handwerkskammer, wo dann die Frauen im Handwerk konkrete Themen diskutieren. Das bewegt auch was, das ist auch eine Qualität des Netzwerkes.

Es ist auch eine Qualität vom Netzwerk, dass Frauen des Netzwerkes andere Frauen aus dem Netzwerk empfehlen, oder es Kunden und Kundinnen gibt, die schon mal was vom Handwerkerinnennetzwerk gehört haben und sich deshalb an eine von uns wenden. Für mich ist es manchmal noch nicht mal nachvollziehbar, wie die Wege so gehen. Aber ich denke, dass das auf jeden Fall einen großen Einfluss hat.

I: Ihr kennt euch, oder zumindest die meisten kennen sich im Netzwerk ganz gut untereinander, weil in den Betrieben der Frauen die Netzwerktreffen stattfinden.

BS: Da nehme ich auch immer gerne daran teil. Das ist schön, andere Betriebe zu besuchen und zu sehen, wie Frauen ihre Werkstätten einrichten, wie ihre Struktur ist. Für mich ist der Rückhalt wichtig und dass ich weiß, dass gesellschaftspolitisch auch für Frauen im Handwerk gestritten wird. Dass ich nicht alleine bin, vielleicht auch deshalb, weil ich so viele Sachen alleine mache: Als Trainerin bin ich alleine, als Dozentin bin ich alleine und als Einzelunternehmerin gehe ich in der Regel alleine zu den Kunden. Mein beruflicher Alltag ist so, dass ich oft auf mich gestellt bin. Deshalb schätze ich sehr zu wissen, dass da noch ein Rückhalt ist, die Vereinzelung aufgehoben wird. Und dass man nicht nur von außen auf sich selber reduziert wird. Heute nicht mehr so oft, aber früher wurde manchmal gefragt, “wie ist es denn als Frau in so einem Beruf im Handwerk, geht das überhaupt?“ So kann ich immer sagen, dass es viele Frauen gibt, die Metallberufe machen, die andere Berufe ausüben, eigene Firmen haben.

I: Welche Wünsche und Ziele hast du für deine Zukunft?

BS: Ich möchte weiterhin in der Entwicklungszusammenarbeit, gerne auch in Afrika tätig sein. Das ist etwas, was mir viel Freude bereitet, wo ich sehr glücklich bin, wenn ich mein Wissen weitergeben kann.

I: Möchtest Du deinen Betrieb auch noch weiterführen?

BS: Ja. Meinen Betrieb werde ich in der jetzigen Form weiterführen. Auch als Dozentin in Berlin bin ich weiterhin tätig. Ich habe mal probiert, das ein bisschen einzuschränken, weil es zeitlich so viel war. Aber ich habe festgestellt, dass, wenn ich mich da zu sehr ausklinke, ich es eigentlich auch bedauere. Deshalb bin ich wieder dazu übergegangen, mehr anzubieten und finde es auch gut. Ein Wunsch ist zwar schon weniger zu arbeiten, aber das ist schwer zu realisieren. Es wäre natürlich sehr, sehr schön, wenn die Arbeitsstunden insgesamt über das Jahr betrachtet weniger wären. Schön wäre auch, wenn für diese viele, viele Arbeit und für dieses viele, viele Engagement auch finanziell etwas mehr rumkäme.

I: Gibt es so etwas wie so eine Lebenseinstellung?

BS: Ja, das denke ich schon. So wie ich vorhin ausgeführt habe, nämlich mit den Leuten was machen, Menschen mitnehmen, sie einbeziehen. Ein bisschen auch leben und leben lassen. Das ist so etwas, was ich in Berlin sehr schön finde. Auch diesen Lebensweg, diesen Arbeitsweg, den ich gehe. Mir ist schon klar, dass die Stadt, ihre Bewohner und die Lebenshaltung, die in Berlin ist, natürlich fördernd sind. Mir ist sehr bewusst, dass das in einem kleinen Dorf viel, viel schwieriger gewesen wäre. Da ist es ja oft so, dass eine Frau womöglich eine Firma vom Vater übernimmt. Das war bei mir nicht der Fall. Ich habe mir das selber aufgebaut. Berlin mit seinen Bewohnern ist da ganz toll, weil es hier auch eine Offenheit dafür gibt.

I: Toleranz ist das oberste Gut?

BS: Toleranz und Respekt sind für mich ein großes Gut. Wenn ich Schulungen, Trainings in Jordanien gebe, denke ich immer, dass das auch die Herzen anderer öffnet, wenn sie merken, dass man nicht von oben herab kommt, sondern offen ist. Auch Freundlichkeit gehört dazu. Das ist in Arabien ganz toll. Die Menschen sind unheimlich nett. In Berlin ist es wiederum so, dass ich denke, dass wir in Punkto Freundlichkeit es hier ein bisschen besser machen könnten. Es macht im Leben einiges einfacher, wenn man untereinander freundlich ist.

I: Brigitte, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Kompetenzzentrum für Berliner Handwerker*innen des bfw wird durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung des Landes Berlin gefördert.

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