Luisa Haase-Kiewning, Tischlerin

Sie heißt Luisa Haase-Kiewning, ist Tischlermeisterin und sie ist Lu-Interior. Ihre Meisterprüfung hat sie mit 23 Jahren gemacht und 26 Jahre alt war sie, als sie sich selbständig machte.

In ihren Projekten und Produkten vereint sie Design und Handwerk und geht neue Vertriebswege. Sie findet es gut, dass die Frauen im Netzwerk zusammenwachsen können und sie dort Frauen mit den gleichen Problemen und Fragen treffen kann.

Luisa Haase-Kiewning

LU: Mein Name ist Luisa Haase-Kiewning, ich bin 30 Jahre alt und Tischlermeisterin. Außerdem habe ich an der Kunsthochschule Weißensee Produktdesign studiert. Ich komme aus dem schönen Norden, aus Lübeck.

I: Wie war dein beruflicher Werdegang?
LU: Ich war auf einer Waldorfschule und habe da viel Werkunterricht gehabt. Dieser Unterricht hat mir am meisten Spaß gemacht. Wir haben gedrechselt, wir haben Kupfer getrieben, aus Speckstein Skulpturen gehauen, ganz viel mit Holz gearbeitet, gewebt, gestrickt. Eben alles Mögliche gemacht und ausprobiert. Das hat einfach super Spaß gemacht. Ich durfte auch schon mal an die Maschinen und habe damals schon ganz tolle Möbel gebaut, die immer noch bei meiner Mutter zu Hause stehen.

I: Wie alt warst du, als du die ersten Möbel gebaut hast?
LU: Na ja, so elf, zwölf Jahre. Wir durften dann auch richtig große Projekte machen. In der achten Klasse führt man ein Projekt über ein ganzes Jahr komplett durch, sowohl theoretisch als auch praktisch. Als Projekt habe ich mit meiner Zwillingsschwester einen Schuppen bei uns im Garten zu einem Wohnraum (Sommerzimmer) ausgebaut. Wir haben alles daran mit Anleitung selbst gemacht. Estricharbeiten, Wände verputzt, Decken verkleidet, Strom gelegt, FI-Schalter eingebaut, alles gestrichen, einen Teppich gelegt -eben alles- und das in der 8. Klasse. Wir hatten einen tollen Betreuer, der sich gut um uns gekümmert und das ganze Projekt begleitet hat. Es war toll, weil man gemerkt hat, was man mit seinen eigenen Händen so machen kann. Im Sommer haben wir dann in unserem ausgebauten Schuppen immer abwechselnd gewohnt. Das war unser drittes Zimmer. Das war ein ganz guter Anfang. Dann wollte ich aber auch etwas Soziales machen.

Nach der Schule bin ich dann für anderthalb Jahre nach Amerika gegangen und habe da in einer Behindertenbetreuung gearbeitet. Ich habe mit den Menschen zusammengewohnt und sechs Tage die Woche komplett deren Leben begleitet. Einen Tag in der Woche hatte ich frei. Auch da habe ich die ganze Zeit immer schon irgendwelche Sachen gebaut. Und das hat richtig Spaß gemacht. Dann habe ich gemerkt, dass die soziale Arbeit mir nicht reicht. Am Ende des Tages konnte man den Erfolg nicht sehen. Ich hatte kein fertiges Produkt vor mir, sondern ich habe die ganze Zeit an und mit diesen Menschen gearbeitet und gehofft, dass sie verstehen, warum es besser ist, eine Suppe mit dem Löffel zu essen. Man konnte nie wissen, ob sie es wirklich verstanden haben oder nicht, ob ich es gut herübergebracht habe oder ob sie nur den einen Abend mal die Suppe mit dem Löffel essen und am nächsten Tag dann wieder nicht. Man hatte keine eindeutigen Erfolgserlebnisse.

Ich habe mir da natürlich Gedanken über meinen zukünftigen Beruf gemacht, denn danach musste es ja mit der Ausbildung losgehen. Überlegt habe ich mir, dass ich etwas Kreatives machen möchte, etwas, wo man am Ende des Tages sieht, was man gearbeitet hat. Und ich wollte gerne auch etwas mit Menschen machen.

Ich habe mich dann für das Tischlern entschieden, deutschlandweit beworben, eine Stelle bekommen und die dreijährige Ausbildung gemacht. Das erste Lehrjahr habe ich in Göttingen absolviert, nicht zu Hause im Norden, weil ich mich selber finden, selber jemand werden musste. Dann bin ich nach Ulm gezogen und habe dort meine Ausbildung abgeschlossen.

In der Ausbildung habe ich zunächst in einem Fensterbaubetrieb gearbeitet, aber unter der Bedingung, dass ich auch Möbel bauen kann, denn ich wollte etwas lernen und nicht nur Handlanger sein, irgendwelche Autos fahren und irgendwelche Fenster zu Baustellen bringen und mal einen Hammer reichen dürfen. Nein, ich wollte wirklich etwas lernen. Warum macht denn eine junge Frau eine Ausbildung im Tischlerhandwerk? Nicht, weil der Vater sagt: „Hier mach mal, wäre doch cool“, sondern weil man das selber möchte.

Ich wollte etwas lernen, aber das konnten sie mir nicht bieten und deshalb bin ich gegangen. Dann habe ich eine super gute Stelle aufgetan. Das war ein Meisterbetrieb, also ein Meister mit noch einem anderen Lehrling. Der hat so tolle Sachen gemacht, wie individuelle Maßanfertigungen im Möbelbau für Privatkunden. Wir haben auch z.B. Sparkassen und Laborräume ausgebaut, also auch mal größere Projekte, mal Fußboden gelegt oder Wände reingezogen, sehr vielfältig. Wir beiden Lehrlinge wurden sozusagen komplett ausgebildet. Alles was unser Meister wusste und uns mitgeben konnte, hat er uns mitgegeben. Und danach ist er dann ins Büro gegangen und ich stand, selbständig und verantwortlich für meine zugeteilten Aufträge in der Werkstatt. Ich stand da, habe eine Skizze bekommen, „mach mal, bau mal den Schrank“ und wurde ins kalte Wasser geworfen. Aber das war richtig so, denn so lernt man es erst richtig. Natürlich habe ich den einen oder anderen Fehler gemacht und dann musste etwas neu gemacht werden und der Zeitdruck kam noch dazu. Aber so wurde ich sehr schnell selbständig und konnte auch selber frei entscheiden, mitdenken und sinnvolle Varianten heraussuchen / herausarbeiten.

Dann kamen weitere Lehrlinge. Mir hat es großen Spaß gemacht für die Lehrlinge da zu sein. Das fühlte sich richtig gut an und war eine tolle Aufgabe, ihnen mein Wissen weiterzugeben. Nicht mehr nur der Chef, sondern ich habe dann die Arbeitsschritte mit ihnen besprochen und erklärt und gemerkt, dass ich diese Verantwortung gerne übernehme, dass ich auch über mehrere Dinge gut den Überblick behalten kann. Das lag mir und das wollte ich. Damals habe ich entschieden, auf jeden Fall irgendwann selbständig zu sein. Ich wollte nicht immer ausführen müssen, was mir aufgetragen wird. Ich wollte gerne die Arbeit und die Art und Weise gestalten, wie man mit Mitarbeiter/innen arbeitet oder Auszubildende betreut.

Dazu wollte ich auf jeden Fall den Meister machen. Mein Meister fand das nicht so cool, dass ich das direkt im Anschluss an die Ausbildung machen wollte. Damals wurde die Pflicht der Gesellenjahre erstmalig auf 0 gesetzt um den Handwerkermangel zu bekämpfen. Für mich war es aus mehreren Gründen sehr wichtig, den Meister direkt im Anschluss zu machen. Das Lehrlingsgehalt war nicht so hoch, ich war es deshalb gewohnt, meinen Lebensstandard mit relativ niedrigen Kosten zu bestreiten. Die Eltern waren auf jeden Fall auch noch willig, zu unterstützen. Zehn Jahren später würden sie die das dann sicher nicht mehr wollen. Zudem hatte ich den ganzen Lernstoff der Gesellenprüfung gerade frisch im Kopf. Dann dachte ich O.k., dann setze ich noch extra was obendrauf, auch wenn es nochmal eine Menge ist, aber die Grundsubstanz ist da. Die Meisterschule wollte ich gerne in Vollzeit machen. Dazu muss man seinen Lebensunterhalt irgendwie stemmen. So ein Meister ist auch teuer, das Prüfungsmaterial, das ganze Werkmaterial usw. Ich habe die Chance genutzt und meinen Meister in Ulm gemacht.

I: Wie alt warst du, als du den Meister gemacht hast?
LU: Ich war 23 Jahre. Danach bin ich nach Berlin gezogen. Ich war privat und beruflich frei und hatte die Möglichkeit und die Chance zu überlegen, was ich machen will. Ich wollte etwas Soziales, aber auch etwas Gestalterisches. Design hat mich schon immer sehr interessiert. Und ja, ich fand das interessant, etwas selbst und ganzheitlich zu gestalten und auch noch umzusetzen. Das würde in Berlin auf jeden Fall schneller und besser möglich sein.

Zuerst habe ich dann eine Stelle im Filmstudio Babelsberg angenommen. Ein Jahr habe ich an Filmen wie The Grand Budapest Hotel, Monuments Men, The Voices oder The Beauty and the Beast, gearbeitet. Damit habe ich sogar einen Oscar mitgewonnen (lacht). Es waren tolle Projekte, superviel Arbeit zu einem wirklich kleinen Lohn, aber mit viel Spaß und interessanten Aufgaben.

Oh, und dort habe ich z.B. auch an der U-Bahn mitgearbeitet. Ich habe 2013/14 den Mockup für die jetzigen Waggons der U2 gebaut! Die ersten Waggons/Züge wurden dann 2017 für Berlin gebaut. Ich habe ungefähr drei Monate daran gearbeitet. Jetzt ist es super durch Berlin zu fahren, in der U-Bahn zu sitzen und alles anzugucken, wie es in echt geworden ist.
Aber die Arbeit in Babelsberg ist immer nur projektbezogen gewesen. Waren die Filme fertig, gab es erst mal keine Arbeit für uns.

Dann habe ich mich weiter beworben und überlegt, wo es hingehen soll. Jetzt hatte ich etwas Kreatives im Bühnenbaubereich gemacht, nun wollte ich gerne wieder mein Handwerk mit der Arbeit im sozialen Bereich, eventuell mit behinderten Menschen verbinden.

Schalen von Luisa Haase-Kiewning

Ich habe dann anderthalb Jahre die Holzwerkstattgruppe in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung geleitet. Da war ich anscheinend zu engagiert, zu jung und zu weiblich für die Holzwerkstatt. Meine Lust an der Arbeit und meine Power vertrugen sich nicht mit dem eingefahrenen System. Die hatten einfach ihre Struktur. Dort habe ich eine Holzwerkstattgruppe langsam mit aufgebaut und die Werkstatt zu einer richtigen tischlergeführten Werkstatt gemacht. Aber ich wurde die ganze Zeit ausgebremst und bin deswegen gegangen. Ich hätte die Menschen dort gerne viel mehr gefördert. Dann habe ich Kopf und Herz angeschaltet und überlegt, wo ich mich innerhalb der nächsten fünf Jahre sehe. Es war mir dann klar, dass ich gerne studieren möchte, um meinen Marktwert im Gestalterischen kennenzulernen. Ich habe mich an Unis für Produktdesign beworben. Schon während der Arbeit in der Behindertenwerkstatt habe ich zu Hause in einer Garage meine ersten Produkte entwickelt, zum Beispiel die ersten Lampen aus Beton gegossen und ein Holzbuch entwickelt. Die ersten Produkte sind also dort entstanden. Gerne wollte ich dann auch den Weg der Selbständigkeit im Produktbereich gehen und ein Produkt, das meiner Qualitätsvorstellung entspricht, von der Idee bis zur Fertigung erstellen und es dann für den Preis, den es braucht, anbieten. Diesen Weg als umgekehrte Variante des Tischlers als Dienstleister musste ich unbedingt testen und durchlaufen, mit allem was dazugehört, Bild, Text, Preis, Beschreibung, rechtliche Sachen, Vertrieb online sowie offline aufbauen und was noch alles dazugehört.

Jeder Meister klagt – und ich selber habe es ja auch mitbekommen, dass der Kunde sich oft etwas ganz Tolles vorstellt, große Wünsche hat, aber meistens kein richtiges Budget benennt. Dann macht man eine tolle Gestaltung, entwickelt kreative Sachen und am Ende sagt der Kunde: „Das ist mir jetzt aber ein bisschen zu teuer.“ Dann muss man all das, was richtig schön und kreativ war, wo man viel Herzblut hineingesteckt hat, drastisch reduzieren. Das wollte ich mit meinem Produkt Label umdrehen. Ich wollte meine Produkte, mit denen ich zu hundert Prozent zufrieden bin, auf den Markt bringen, einen Preis daran schreiben und sehen, ob es Leute gibt, die meine Produkte kaufen. Deswegen habe ich mich damit 2015 selbständig gemacht.
Gleichzeitig habe ich mich bei drei Unis in Berlin beworben und wurde bei der Kunsthochschule Weißensee genommen. Selbständigkeit und Studium gleichzeitig sind nicht ein paar Stündchen am Tag, man muss viel hineinstecken. Ich habe beides zusammen durchgezogen, in beiden Bereichen an Erfahrungen enorm gewachsen und bin jetzt mit dem Studium durch und konzentriere mich weiter auf die Selbständigkeit.

Raumausleuchtung mit Luisa Haase-Kiewning

I: Was zeichnet deine Arbeit aus?
LU: Ich arbeite jetzt sehr stark im Konzeptbereich, habe viel mit Sanierung und Ausbauten zu tun. Im Kleinen mache ich auch Möbelmaßanfertigungen. Die Kunden wollen Möbelstücke oder den Fußböden gelegt und Wände gestellt, gestrichen oder entfernt bekommen. Zudem biete ich ganzheitliche Betreuung aus einer Hand mit gestalterischer Leistung. Ich glaube, dass ich als Frau bei meinen Kunden als Handwerkerin ganz anders ankomme. Die Kunden reden viel lieber, ganz anders und viel offener und benennen in Gesprächen mehr Details, als wenn ein Tischlermeister hereinkommt und dem Kunden das empfiehlt, wie er es immer schon gemacht hat. Ich finde es ganz wichtig nachzufragen, „was sind eure Lieblingsfarben, wie gestaltet ihr eure Feierabende oder eure Freizeitbereiche“, damit ich ein gutes Gesamtbild vom Kunden bekomme, um ihm maßgeschneidert und sehr individuell die jeweiligen Möbel, Raumaufteilungen tatsächlich auf den Leib zu schneidern. Das ist das, was mich auf jeden Fall ausmacht, dass ich fachlich gut Bescheid weiß und auch auf andere Gewerke viel übertragen kann. Ich habe jetzt einen großen Handwerkerpool, Leute mit denen ich viel zusammenarbeite, zum Beispiel Maler und Sanitärleute. Dadurch bekomme ich zugleich auch mehr Wissen von weiteren Handwerken.

Lichtkonzept von Luisa Haase-Kiewning

I: Das heißt, du gestaltest nicht nur einen Raum?
LU: Ich gestalte ganz unterschiedliche Dinge von kleinen Möbeln, Produkte für Kleinserien oder auch ganze Inneneinrichtungskonzepte, die ich mit meinen Handwerkern anschließend meist ganzheitlich umsetze.

I: Es gibt aber auch noch deine Produkte. Wenn ich deine Webseite aufrufe, kommt eine Menge.
LU: Erst mal sieht man den Lichtkonzept-Bereich. Hier biete ich zwei verschiedene Leuchten an, die das Sortiment noch durch Kombinationen und Erweiterungen, zum Beispiel als Kronleuchter, abrunden. Die Bilder erreichen die Menschen, wenn sie auf der Webseite sind. Über die Webseite kommt dann auch mal eine Anfrage, ein Lichtkonzept für ein Büro oder anderen Bereich zu machen. Meine anderen Produkte kommen dann häufig auch in Kombination mit Aufträgen zum Einsatz. Schalen im Küchenbereich und Waschbecken im Badbereich. Ich verkaufe eines meiner Waschbecken meist mit einem passenden Badunterschrak zusammen. So befruchten sich die beiden Bereiche; Produkt und Konzept.

Eine Seite: Treppe mit Regal

I: Gibt es eigentlich Arbeiten, die du ausgeführt hast, die dir besonders wichtig sind?
LU: Ja, da gibt es mehrere Sachen. Es gab den Fall, dass eine Familie zwei übereinanderliegende Wohnungen zusammengelegt hat. Es sollte eine Verbindungstreppe zwischen unterem und oberem Bereich eingebaut werden. Die Treppe hat eine Architektin schon geplant und es war ein Treppenrohling da. Mit diesem Treppenrohling wollte diese Familie aber unbedingt jemanden, der neue Ideen und Fantasie einbringt, beauftragen. Sie haben mich beauftragt dieser Treppe ein passendes Kleid zu geben.

Ich habe in die Treppe eine Garderobe, eine Kammer und ein Bücherregal integriert und somit den Platz maximal ausgenutzt. Gearbeitet habe ich mit Holz Farbe und auch mit Licht. Die Kunden haben sich mit dem, was ich gestaltet und gebaut habe, total verstanden und interpretiert gefühlt.

Die Fotos von dem Projekt sind auf meiner Internetseite zu sehen.

Andere Seite mit Kammer und Kleiderhaken, Luisa Haase-Kiewning

Seitdem die Bilder im Internet zu sehen sind und ich sie überall mal auf meinen Seiten platziere, sind auch wieder ähnliche und freie Aufträge gekommen, die ich gerne mache, weil ich Kreativität mit hineinbringen kann. Der Kunde weiß dann auch, dass es etwas ganz Besonderes ist, was für ihn angefertigt wird und der Preis passt.

I: Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
B: Der Arbeitstag oder die Arbeitswoche? Jeder Tag ist so unterschiedlich. In einer Woche muss man von allem etwas unterbringen, von Buchhaltung über Akquise, hin zu Kundengesprächen und Werkstatt. Ich habe eine Tischlerwerkstatt, mit der ich sehr eng zusammenarbeite. Dort bin ich ständig, um zu überprüfen, zu gucken, zu kalkulieren, mit dem Tischler zusammen Materialien zu bestellen und dann gleich zu prüfen. Mein Tag ist grob dargestellt so: Ich stehe auf, mache morgens erst mal ungefähr zweieinhalb Stunden Arbeit am Rechner, E-Mails beantworten, Kalkulationen zu Ende führen, zeichnen. Ich zeichne im 3D-Programm am Rechner, um für den Kunden auch zu visualisieren, was ich mir für ihn vorstelle. Daraus entstehen dann auch gleichzeitig die Zeichnungen für die Werkstatt. Dann fahre ich in die Werkstatt. Ich habe das Glück im Moment zwei Werkstätten zu haben, die direkt nebeneinander sind und in denen ich jeweils meinen Platz habe und meine Aufgaben abarbeiten kann. In der einen werden meine Möbelprojekte gebaut. In der anderen habe ich eher mein Studio, mein Büro, in dem ich auch Kundengespräche führe und zum Beispiel an meiner Webseite oder im Buchhaltungsbereich arbeite, Werbung platziere, Strategien entwickle. Hier ist mein Kreativbereich, wo ich haptische Konzepte entwickle, Materialien zusammen suche und Prototypen entwickle. Diese Werkstatt besteht aus Selbständigen unterschiedlichster Gewerke. In dieser Zusammenarbeit arbeiten wir häufig kooperativ gemeinsam an Projekten. Hier sind auch die nötigen Maschinen vorhanden, mit denen ich kurz etwas ausprobieren kann. Ich bin einmal am Tag bestimmt in der Werkstatt und säge etwas zu, um es auszuprobieren oder einen Prototypen zu bauen, um dem Kunden zeigen zu können, so könnte es aussehen und das habe ich mir dabei gedacht. Hier kannst du es anfassen.

Und dann gibt es Mittag. Seit einem halben Jahr ziehen wir das in unserem Coworking-Bereich durch, dass wir tatsächlich jeden Tag zusammen Mittag essen. Da sind mehrere Selbständige, alle unter einem Dach. Alle arbeiten eh immer viel zu viel und kommen nie zu einer Pause. Mit dem Mittag ist jeder einmal pro Woche dran. Das ist für mich eine wichtige Stunde am Tag. Deswegen mache ich auch nicht nur Homeoffice, sondern es ist mir ganz wichtig vor Ort zu sein, auch um diesen Austausch untereinander zu haben. Nachmittags nehme ich Kundentermine wahr, fahre zur Baustelle oder lerne das erste Mal einen Kunden, die Baustelle von dem Kunden und das Objekt kennen. Ich gucke mir alles an. Dabei mache ich Fotos, sammele alle relevanten Informationen und Wünsche und speichere alles direkt digital ab, damit ich die immer auch parat habe. Dann geht es entweder in die Werkstatt, ins Büro, oder nach Hause. Die aufgenommenen Details, der Kunde, das Projekt, die ganzen Maße, Zeichnungen werden angelegt, und direkt bearbeitet, also die ersten Materialanfragen bei Lieferanten gemacht usw.

I: Welche Kompetenzen muss man mitbringen, um das zu machen, was du machst?
LU: Man sollte aufnahmefähig sein, flexibel, ein gutes Erinnerungsvermögen haben, sich gut an Bereiche, Themen, Objekte, Zeiten, Absprachen erinnern. Um jeden Kunden bildet sich bei mir gedanklich eine Blase oder Luftballon. Ich muss diese ganzen Luftballons immer direkt angucken können und immer alles darum wissen. Man muss auf jeden Fall fachlich kompetent sein, etwas abschätzen oder einschätzen können. Und man muss wissen, wen man fragen kann, wenn man etwas nicht weiß, oder wie man sich informiert, wen man genau fragt. Ich spreche die Handwerkssprache und kann die richtigen Fragen stellen.

Ein bisschen Design-affin sollte man auch sein. Außerdem sollte man soziale Kompetenzen mitbringen, denn dann öffnen sich die Kunden und Kundinnen mehr und bekommen genauer das, was sie wollen, was sie sich wünschen, denn oft können sie es nicht ausdrücken. Man muss herausfinden, erfühlen, was sie wollen. Dann ist der Kunde glücklich. Und nicht, weil er sagt, „ich möchte einen weißen Schrank“. Man muss herausfinden, warum er ihn in weiß haben will. Man muss dafür leben und sich für die Sache begeistern.

I: Bist du mit deiner jetzigen beruflichen Situation alles in allem zufrieden?
LU: Ja, zu hundert Prozent. Ich bin jetzt vier Jahre selbständig und in den vier Jahren habe ich immer wieder gemerkt, das ist nichts Vorgeschriebenes. Nicht wie andere Arbeit, wo man für die nächsten zehn Jahre weiß, dass man morgens zur Arbeit geht und was man dort macht. Ich kann meinen Beruf, meinen Alltag, meinen Weg komplett selber gestalten, mich weiter fortbilden, um neue Wege zu gehen. Ich kann jede Situation, jede Option mitnehmen, wenn ich möchte, muss es aber nicht. Ich kann mir mein Leben und meinen Alltag immer optimal passend gestalten. Das ist genau das, was ich will. Ich kann wirklich daran arbeiten, das zu machen, was mich begeistert, was mir liegt und zu meinen Projekten passt.

Badezimmereinrichtung von Luisa Haase-Kiewning

I: Ist das „selber gestalten“ auch dein Motto oder deine Lebenseinstellung?
LU: Ja, das ist für mich zentral. Ich habe nie das Gefühl gehabt, unbedingt einen geraden Weg machen zu müssen, also Schule, Studium, Haus bauen usw. Krumme Wege sind oft viel interessanter. Man kriegt viel mehr mit. Ich bin auch nicht ängstlich. Mir macht es Mut zu wissen, dass hinter jeder Ecke ein neuer Weg anfängt oder eine neue Abzweigung ganz interessant werden kann.

I: Haben Netzwerke, insbesondere Frauennetzwerke, eigentlich Vorteile?
LU: Auf jeden Fall. Zu Beginn meiner Selbständigkeit fühle ich mich noch als Anfängerin. Das hat für mich viele Fragen mit sich gebracht. Im Frauennetzwerk kann man ohne Hemmungen Fragen stellen, ohne Hemmungen Themen zusammen bearbeiten, die uns überhaupt nicht unangenehm sein müssen, die wir angehen wollen. Ich fühle mich aufgehoben. Wir haben die Chance uns im Netzwerk auszutauschen. Es ist nicht schlimm, wenn ich eine Frage zum Unternehmerinnensein an eine stelle, die das schon länger macht, die schon einen Schritt weiter ist. Dass man sich im Netzwerk so gut austauschen kann, finde ich total gut. Wir Frauen haben einfach andere Themen als Männer. Und wir haben ganz andere Punkte, an denen wir alle arbeiten müssen und wollen, ganz andere Interessen und Bedürfnisse und von außen gestellte Herausforderungen, um unseren Arbeitsweg voranzubringen. Dass wir das im Netzwerk so machen und zusammen wachsen können, finde ich gut. Auch die ganzen verschiedenen Bereiche oder Gewerke, mit den verschiedenen Personen dazu zu kennen, schafft eine ganz andere Verbundenheit. Da sind auch Vertrauen und Freundschaften entstanden. Wir wissen, dass wir uns einfach anrufen können, um etwas zu fragen oder einen Auftrag zusammen zu machen.

I: Wo liegt dein persönlicher Mehrwert, dich in das Netzwerk einzubringen?
LU: Ich habe im Alltag viel Kontakt mit anderen Unternehmern, anderen Leuten. Das sind aber alles Männer. Dieses unter Frauen zu sein, dieses Aufgenommen sein und einen Raum zu haben, wo wir uns einfach frei austauschen können, ist mir sehr wichtig. Und auch tatsächlich jemanden mit den gleichen Bedürfnissen und mit den gleichen Problemen und Fragen zu treffen. Das ist das wichtigste für mich.

I: Hast du Wünsche und Ziele? Was möchtest du noch in den nächsten Jahren erreichen?
LU: Ich möchte mit dem, was ich tue, erfolgreich sein. Einen guten Kundenstamm aufbauen, die für mich richtigen Projekte realisieren können, die auch angemessen bezahlt werden. Ich möchte von meiner Arbeit gut leben können und sicher in die Zukunft schauen. Ich möchte, dass mein Betrieb wächst, um Sachen abgeben zu können, damit ich mehr Kraft und Energie in Dinge stecken kann, die ich weiter bringen, formen und aufbauen kann. Und meine unternehmerischen Ziele ausbauen, verfeinern und führen kann.

I: Dafür wünsche ich dir alles Gute, Luisa und bedanke mich für das Gespräch.

Das Kompetenzzentrum für Berliner Handwerker*innen des bfw wird durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung des Landes Berlin gefördert.

Nach oben scrollen